
Belegschaft der Zigarrenfiliale Spengemann

Belegschaft der Zigarrenbude Lübkemeier
Zigarrenindustrie um 1900
Nachdem die Leineweberei in der Mitte des 19. Jahrhunderts unrentabel geworden war, brachte die damals aufkommende Zigarrenindustrie der verarmten Bünder Bevölkerung neue Verdienstmöglichkeiten.
Tönnies Heinrich Wellensiek, der zuerst auf dem „Halloh“ in Ennigloh Zigarren drehte, eröffnete im Jahre 1846 eine kleine Zigarrenfabrikation im Hause des Klempnermeisters Heine in der Eschstraße. Im Jahre 1856 gründete er zusammen mit August Steinmeister die erste große Zigarrenfabrik „Steinmeister und Wellensiek“ in Bünde, die später insgesamt 18 Filialen in den umliegenden Dörfern unterhielt. Durch den Bau der Eisenbahn Osnabrück-Löhne im Jahre 1855, die eine günstige Rohtabakzulieferung ermöglichte, aber besonders auf Grund eines großen Potentials arbeitswilliger, billiger Arbeitskräfte, die von der Leinenweberei gute Fingerfertigkeit mitbrachten, errichteten viele Firmen auch aus anderen Teilen Deutschlands in Bünde ihre Fabriken.
Vor dem ersten Weltkrieg gab es Bünde bereits über 50 Fabriken und eine große Anzahl Filialen. Diese, von Werkmeistern geleiteten Filialen, auch „Buden“ genannt, hatten zwei Funktionen. Zum einen wurden hier Zigarren hergestellt. In einem Arbeitssaal standen 3-4 Zigarrentische, an denen jeweils sechs Arbeiter saßen. Diese sechs „Tabaker“ eines Tisches, bildeten eine Art Arbeitsgemeinschaft, die oft jahrelang zusammenarbeitete.
Die Filialen dienten auch als Sammelstelle der Zigarren, die von den vielen Heimarbeitern hergestellt wurden. Diesen Familien wurde eine bestimmte Menge Tabak zugeteilt, die zu möglichst vielen Zigarren verarbeitet werden mußten. Zu Hause wurden dann auch die Kinder zur Arbeit herangezogen. Sie mußten schon vor dem Schulunterricht Tabakblätter entrippen, nach dem Unterricht arbeiteten sie mit den Eltern bis ca. 20 Uhr, um dann ihre Schularbeiten zu erledigen.
Die Lehrer klagten über die Kinderarbeit, die der Schulbildung nicht gerade förderlich war. Bei einem Preis um 8 Mark für 1000 Zigarren, die von einer Person an 4 Tagen hergestellt werden konnten, bedeutete diese Arbeit allerdings auch ein Existenzminimum für eine einfache Zigarrenarbeiterfamilie. So ist es nicht verwunderlich, daß schon 1861 ein „Cigarrenmacher-Verein“ existierte, ein Interessenverband, der in seiner Funktion den heutigen Gewerkschaften ähnlich war.
Zigarrenmacherlied
Bei der Arbeit wurden damals auch manchmal sogenannte “ Zigarrenmacherlieder“ gesungen. Die Texte bezogen sich aber in den seltensten Fällen auf diese Arbeit. Hier ein Beispiel, Vorgesungen von Frau Haubrok, Holsen um 1930:
Weg mit den Grillen, weg mit den Sorgen,
lustig ist Zigarrenmacher Blut;
denn wir müssen vor dem Rollbrett schwitzen,
und haben immer frischen, frohen Mut.
Pflückest du auch Rosen, pflückest du auch Nelken,
pflückest du auch eine für mich,
drum, so will ich dir ein Brieflein schreiben,
darinnen steht: Vergiß auch meiner nicht.
Drum, geliebtes Mädel sei nicht so betrübet,
weil ich von dir scheiden muß,
denn mein Reisebündel ist geschnüret,
und lustig, lustig, ziehen wir zu Fuß.
Ach, so macher brave Zigarrenmacher
drücket früh die Augen zu,
wird so früh dahingerissen
und findet in der Erde seine Ruhe.